So viel ernten wie Bestellung vorliegen

Shrimps, aus dem Meer gefangen oder aus Freiluftfarmen, sind wenig nachhaltig. Anders die Aemmeshrimps: In geschlossenen Tanks werden die Garnelen ohne Antibiotika und Emissionen aufgezogen.

Der Weg zum «EyHof» bereitet den Besucher auf die Herausforderungen für Landwirtschaft am Standort Ey in Burgdorf BE vor. Auf Quartierstrassen durchquert man ein Wohnquartier, dann geht es über die Emme, anschliessend durch ein weiteres Wohnquartier. Der Betrieb ist von den Wohnquartieren nur durch eine Wiese getrennt.

Nicht leicht zu kopieren

Dass die Familie Kunz die Nähe zu den Konsumenten seit Langem schon als Chance nutzt, davon zeugen die Gemüsefelder, die Obstplantage sowie der Hofladen. Für die Schweinehaltung dagegen war die Siedlungsnähe problematisch. «An eine Vergrösserung auf eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Grösse war nicht zu denken», erinnert sich Fritz Kunz. «Damit zwei Generationen auf dem Betrieb ihr Auskommen haben, brauchten wir einen intensiven Betriebszweig, der an die Stelle der Schweinehaltung treten konnte.» Und noch etwas war wichtig: «Wir suchten einen anspruchsvollen Betriebszweig. Einen, der nicht leicht zu kopieren ist», fährt er fort.

Schon seit den 1980er-Jahren sind Irene und Fritz  Kunz von der Produktion von Shrimps, in den Regalen der Supermärkte auch Crevetten genannt, fasziniert. Allerdings fanden sie lange weder ein geeignetes Produktionskonzept noch zuverlässige Partner für den Wissenstransfer und die Shrimps-Larven. Auch der Besuch eines Shrimp-Kongresses in den USA im Jahr 2013 brachte Irene Kunz und ihre Schwägerin keinen Schritt weiter.

Wissen von US-Farm

Doch beim anschliessenden Besuch einer Shrimp-Farm im Bundesstaat Indiana entdeckten sie ein Produktionskonzept, das auf den Betrieb Ey passte. In der Folge verbrachte Sohn Christian mehrere Wochen auf der Farm in Indiana, um sich das Know-how anzueignen.

2014 verliessen die letzten Schweine den Stall, dann wurde der Stall umgebaut. Die Produktionsbecken lieferte der Hersteller aus den USA, bei der Installation musste aber vieles selber hergestellt werden, da es in der Schweiz keinen Anbieter für Aquakultursysteme gibt.

Bis 2,5 Tonnen pro Jahr

Der Umbau geschah geheim: die Kunz verrieten niemandem, was sie im Schweinestall im Schilde führten, bis sie 2015 mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit traten. Im August 2015 wurde die erste Aemmeshrimp-Ernte eingefahren. Seither produzieren die Shrimp-Tanks im ehemaligen Schweinestall ohne Unterbruch.

Bis 2018 soll die Produktion auf 2 bis 2,5 Tonnen pro Jahr hochgefahren werden. Gefischt wird jeweils genau so viel, wie Bestellungen vorliegen. Die Shrimps sind nutzungselastisch: Wenn die Nachfrage stockt, bleiben sie eine Zeitlang in der für die Vermarktung optimalen Grösse.

Kreislaufkonzept

Die Shrimps werden auf dem EyHof in einem ausgeklügelten Kreislaufkonzept produziert. In den Tanks leben, nebst den Shrimps, Bakterien, die sich von den Exkrementen der Shrimps und ihrer bei den regelmässigen Häutungen abgestossenen Haut ernähren. Die Shrimps fressen wiederum die Bakterien.

Dadurch muss das Wasser nie ausgewechselt werden, es gibt keine Emissionen in umliegende Gewässer. Der minimierte Kontakt zur Aussenwelt ermöglicht zudem den Verzicht auf Antibiotika. «Antibiotika können wir gar nicht einsetzen, da die für den Kreislauf essenziellen Bakterien dies nicht überleben würden», stellt Christian Kunz klar.

Reagieren auf Mond

Die Futtermenge ist ein dauernder Balanceakt: Reichlich Futter beschleunigt das Wachstum, zu viel Futter belastet die Wasserqualität. Und die Shrimps haben echte Marotten: Bei Vollmond sind sie besonders aktiv und würden aus dem Tank springen, wenn dieser nicht mit Netzen gesichert wäre – auch im ehemaligen Schweinestall, wo sie den Mond nicht sehen können.

Feinschmecker, die gerne Shrimps essen, hatten sich bisher an ein schlechtes Gewissen gewöhnen müssen: Bei aus dem Meer gefangenen Shrimps wird die Vegetation des Meeresbodens durch die Schleppnetze zerstört. Dazu müssen pro Kilogramm essbare Shrimps nicht weniger als 9 kg nicht essbarer Beifang zurück ins Meer gekippt werden, eine grosse Eiweissverschwendung. Nicht viel besser sieht es bei Zuchtshrimps aus: Die Farmen zerstören die Mangrovenwälder an den Küsten, es werden regelmässig Antibiotika und Hormone eingesetzt.

Nachhaltige Alternative

Aemmeshrimp vermeidet diese Problemfelder und profiliert sich als nachhaltige Alternative zu importierten Shrimps. Die Frische – zwei Stunden nach dem Fischen ist der Shrimp beim Kunden – erhält dieser als Zugabe. Familie Kunz vermarktet ihre Shrimps ausschliesslich direkt, an Restaurants in der Umgebung sowie an Privatkunden, hauptsächlich über den Hofladen.

Der Versand in Styroporschachteln auf Eis über den «Mond»-Service der Post erlaubt es, Kunden in der ganzen Schweiz zu erreichen. «Bei der Kundenwerbung setzen wir einerseits auf gezielte, systematische Besuche von Grossverbrauchern wie Restaurants, bei denen wir auch Muster abgeben», erklärt Fritz Kunz.

Bei den Privatkunden steht der Abbau von Kaufhemmnissen im Vordergrund: «Viele unserer Privatkunden trauen sich die Zubereitung der Shrimps nicht zu», erklärt Irene Kunz. «Ihnen wollen wir zeigen, wie einfach es ist: Kurzes Braten bei hoher Hitze genügt.»

Martin Raaflaub, Schweizer Bauer